Dienstag, 17. Dezember 2013

"Bridge Club" Episode 1

Mein Name ist Will. Ich war erst vor kurzem mit meiner Freundin Caroline nach Berlin gezogen. Lenny, mein bester Freund der schon länger in Berlin lebte, half mir einen Job zu finden. Auf Lenny’s Empfehlung nahm ich dann einen Job als Barkeeper in dem abseits gelegenen „Bridge Club“, an einer alten Brücke an. Doch schon kurze Zeit später bereute ich meine Entscheidung, denn vor mir tat sich eine gespaltene Welt auf. Das Nachtleben, mit all seinen dunklen Seiten und mein perfektes Zuhause, wo Caroline nach meiner Arbeit immer auf mich wartete. Doch diese Welten drohten sich immer mehr zu vermischen. Als ich dann auch noch den größten Deal meines Bosses vermasselte, standen alle gegen mich.
Seit dem sich die Situation noch mehr verschärft hat, versuche ich nun all dem ein Ende zu setzen.
Doch ich fang mal ganz von vorne an...

Kapitel I
- Ankunft -

Die Fahrt kommt mir ewig vor. Seit knapp sechs Stunden brettern wir mit einem alten Möbelwagen der Marke Eigenbau über die Autobahn. Also Wetten würde ich nicht, dass es wirklich Marke Eigenbau ist, aber er sieht zumindest so aus. Der Boden ist durchgerostet und mit verschweißten Stahlplatten notdürftig wieder zusammengeflickt. Beim Bremsen fühlt es sich jedes Mal an, als würde einem gleich alles, was sich unter der Motorhaube befindet, entgegenkommen. Zudem riecht es wirklich unangenehm. Fast so, als wäre der Besitzer des Wagens Pizza-Lieferant, der vergeblich versucht seit drei Monaten ein und dieselbe Pizza auszuliefern. Und die Sommerhitze gibt dem Ganzen noch ein zusätzlich unangenehmes Aroma. Da wäre mir sogar der Geruch von Tod und Verwesung lieber.
Neben mir sitzt meine Freundin Caroline. Sie hat den Beifahrersitz so weit, wie es nur möglich ist schräg nach hinten eingestellt. Sie schläft. Ich würde auch gerne schlafen, aber stattdessen darf ich mich über scheinbar geistesgestörte Autofahrer aufregen, die ohne ersichtlichen Grund vor mir aus- und wieder einscheren. Aber ich habe es gleich überstanden. Nur noch zwölf Kilometer bis Berlin. Dann muss ich nur noch das richtige Haus finden. Ich komme das erste Mal in meinem Leben nach Berlin und meine Gefühle darüber sind sehr gemischt. Je näher ich dem Ziel komme, desto nervöser werde ich. Caroline hingegen sieht die Sache locker. Klar, sie hat ja dort auch schon einen Job. Als die Software-Firma, bei der sie vorher gearbeitet hatte geschlossen wurde, hatte man ihr einen neuen Job in unserer Hauptstadt versprochen.


Geschafft! Gerade passieren wir das Ortsschild Berlin. Wo ist jetzt dieser verdammte Wohnblock? Ich schau auf mein Navigationsgerät.
Super! „Die Route wird neu berechnet“, kann ich auf dem Display lesen. Meine Süße wacht auf. Sie reibt sich die Augen und schaut sich verschlafen um.
Caroline: „Sind wir schon da?“
Will: „Ja, wir müssten gleich da sein.“
Caroline: „Sieht ganz schön verlassen aus, diese Gegend.“
Will: „Hm…“
Ich hatte mir Berlin auch lebhafter vorgestellt. Aber das muss daran liegen, dass unsere Wohnung außerhalb des Zentrums am äußersten Stadtrand liegt. Während wir an halb abgebrannten Gebäuden und Mauerresten vorbei fahren, kämmt sich Caroline ihre mittellangen, dunklen Haare, die vom Schlafen ganz verwuschelt sind. Ich finde das ja immer total süß, wenn sie ihre typische „bin-gerade-aufgestanden-Frisur“ hat.
„In einhundert Meter – Links abbiegen!“ Ich befolge die Anweisung meines Navis und biege links in eine schmale Seitenstraße ein. In diesem runtergekommenen Viertel soll also unsere neue Wohnung sein? Auf der rechten Seite kann ich unschwer einen Kinderspielplatz erkennen. Beziehungsweise das, was von ihm übrig ist. Denn so wie der aussieht hat dort seit gut zehn Jahren kein Kind mehr gespielt. Die Rutsche ist verrostet und auch das Holzklettergerüst sieht sehr marode und Einsturz gefährdet aus. Drei Minuten und hundert Schlaglöcher später ertönt wieder die Stimme aus meinem Navi. „In fünfzig Meter – Rechts abbiegen!“


Ich fahre langsamer, die Straße wird besser, schließlich biege ich nach rechts ab.
Ich fahre noch ein kleines Stück geradeaus, dann kann ich Lenny links in einer Hofeinfahrt erkennen.
Will: „Ich glaub wir sind da.“
Caroline: „Schau, da ist Lenny!“
Will: „Jupp, hier muss es sein!“
Ich fahre in die Einfahrt und bringe den Wagen auf dem Hof zum stehen. Das Haus passt eigentlich gar nicht in diese Gegend. Der kleine Vorgarten sieht gepflegt aus, die Wandfarbe des Hauses scheint relativ frisch. Ein warmes gelb. Ich steige mit Caroline aus. Ich hole eine Schachtel Zigaretten aus meiner Hosentasche, öffne sie und nehme zwei Zigaretten heraus. Ohne Worte gebe ich Caroline auch eine. Wir zünden uns die Kippen an und rauchen. Lenny kommt auf uns zu und begrüßt uns. Erst umarmt er Caroline, dann begrüße ich ihn auf unsere ganz eigene Art. Dabei geben wir uns immer die Hand, ziehen uns Schulter an Schulter, gehen wieder auseinander und drücken unsere Fäuste gegeneinander. Zugegeben, ausgedacht haben wir uns das nicht, aber bei uns sieht das lässiger aus als bei den Anderen.
Lenny: „Jo Will, lange nicht gesehen. Wie war die Fahrt?“
Will: „Hey Bro,… frag besser nicht!“
Lenny: „Caroline?“
Caroline: „Mich brauchst da nicht fragen, ich hab geschlafen.“
Will: „Boah, nie wieder fahr ich so ´ne scheiß Strecke! Sechs Stunden fahrt in ´ner fucking Schrottmühle, da drehst du durch! Und wie geht´s dir so?“
Lenny: „Naja kennst mich doch. Bin mal hier und mal da. Bin letztens gefeuert worden, schau mich grad nach was Neuen um.“
Will: „Oh man! Ich muss jetzt auch erstmal ´nen Job finden. Du hilfst mir?“
Lenny: „Klar! Kein Ding! Ich hätte da eventuell schon was für dich.“
Will: „Klasse! Aber das können wir ja später besprechen. Lass uns erstmal ein paar Kartons reinbringen.“
Caroline: „Ich mach´ schon mal den Kofferraum auf.“
Caroline geht zurück zum Auto. Sie öffnet den Kofferraum, setzt sich auf den Rand im Inneren und zieht an ihrer Zigarette. Dabei schaut sie in den klaren, blauen Himmel. Was sie wohl jetzt in diesem Augenblick denkt?
Lenny: „Bei dir und Caroline noch alles in Ordnung?“
Will: „Sicher! Wir haben uns vor kurzem erst verlobt.“
Lenny: „Na da gratulier´ ich doch!“
Will: „Danke! Sie ist echt einzigartig. Sie zu verlieren wär´ das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann!“
Lenny: „Glaub ich dir!“
Caroline: „Seid ihr Jungs dann soweit?“


Inzwischen hat Caroline fertig geraucht. Sie holt einen Labello aus ihrer Tasche und trägt ihn sich auf. Auch ich bin gerade fertig mit rauchen. Ich schnipse die Zigarette mit zwei Fingern auf die Straße und gehe mit Lenny zu Caroline an den Kofferraum.
Lenny: „Eure Vermieterin war vorhin kurz da und hat den Schlüssel vorbeigebracht. Ich hab ihr gesagt, dass ihr wahrscheinlich ein bisschen später kommt und sie ihn mir geben kann. – Hier!“
Caroline: „Den nehm´ ich! Ihr Jungs könnt die Kartons tragen, die sind mir sowieso zu schwer.“
Wir beladen uns also mit den braunen Kartons, welche in den verschiedensten Größen im Kofferraum des Wagens gestapelt sind.
Caroline schnappt sich den Schlüssel und geht zum Haus vor. Sie schließt die Tür auf und betritt den Flur. Lenny und ich gehen den gepflasterten Weg entlang bis zur Haustür. Wir stellen die Kartons bei Caroline im Flur ab, gehen zurück zum Möbelwagen und beladen uns erneut mit Umzugskartons.
Lenny: „Ich glaub in dem hier ist Geschirr.“
Will: „Dann lass den bloß nicht fallen.“
Caroline: „Schatz? Du musst dir unbedingt mal die Küche ansehen! Die ist der Hammer!“
Caroline hat Recht. Die Küche ist der Hammer! Als ich sie betrete, traue ich meinen Augen kaum. An den Wänden entlang verläuft eine Anrichte mit Schubladen und Schranktüren. Alles aus echtem Holz. Nicht dieses Kunststoffzeug, welches nur so aussieht. In der Mitte des Raums ist eine kleine Kochinsel. So eine, wie sie sich meine Mutter immer gewünscht hatte. Bestehend aus einem Elektroherd, einem Waschbecken und einer Spülmaschine. Die Kochinsel und auch die Anrichte sind in einem angenehmen Rot-Ton gestrichen. Der Kühlschrank mit eingebauter Gefriertruhe ist wie aus Silber und hat sogar einen Eiswürfelspender! Allerdings ist die Küche auch das Einzige, was an der Wohnung beeindruckend ist. Verlässt man die Küche, wirkt das Haus so, als wäre mitten bei der Renovierung gestoppt worden. Die anderen drei Zimmer sind eher schlicht. weiße, kahle Wände, Steckdosen ohne Abdeckung und alte Möbel.
Das Badezimmer ist eng. Gerade groß genug, dass eine Person Duschen und eine andere vor dem Waschbecken stehen kann. Dazu ist es mit typisch klischeehaften schwarz-weißen Kacheln gefliest. Aber Caroline und mir reicht das vollkommen.


Lenny trägt gerade den letzten Karton in den Hausflur. Ein großer, brauner Karton mit der
Aufschrift „Dies-und-das“.
Lenny: „Das war der letzte.“
Will: „Danke!“
Lenny: „Kein Problem. Wann kommt denn Pete um seinen Wagen abzuholen?“
Will: „Keine Ahnung. Ich hoffe nur er baut mit Caroline´s Auto keinen Unfall.“
Caroline: „Mach dir keine Sorgen. Auch wenn sein Wagen echt unterstes Niveau ist, auf mich hat Pete einen Seriösen Eindruck gemacht.“
Ich habe Pete, dem Mann von „Umzug? Frag Pete!“ Caroline´s neuen Coupé gegeben, damit er seinen Möbelwagen bei uns abholen kann. Natürlich mache ich mir jetzt Sorgen, dass er ihr Auto einfach behält. Aber wenn man vom Teufel spricht. Pete fährt auf die Hofeinfahrt.
Pete: „Hier, Herr Clark. ´Ne nette Karre fahren Sie da.“
Will: „Ich weiß. Der Wagen ist mein Schmuckstück.“
Caroline: „Ä-häm!“
Will: „DEIN Schmuckstück natürlich, mein Schatz!“
Der gespielte böse Blick von Caroline wird zu einem Lächeln.
Caroline: „Ich liebe dich!“
Will: „Ich dich auch!“
Lenny: „Man, turtelt woanders rum, mir wird gleich schlecht.“
Lenny hat schon eine ganze Weile keine Freundin mehr. Seine letzte, Nicole, hat ihn für einen Anderen sitzen lassen.
Dabei ist es aber nicht so, als hätte Lenny gar keine Frauen. Im Gegenteil! Er ist und bleibt ein überzeugter Aufreißer und Single-Mensch. Lieber hat er jeden Tag eine Andere im Bett, als das er die Verantwortung einer Beziehung eingehen muss. Aber jedem das Seine, sag ich da immer.
Pete: „Ich glaub Sie müssen tanken, Herr Clark. Hab mir erlaubt ´nen kleinen Umweg zu fahren. Ich konnte nicht widerstehen.
Will: „Halb so schlimm.“
Lenny: „Also Will, Caroline, ich pack´s dann mal. Wenn irgendwas ist, ihr habt ja meine Nummer.“
Caroline: „Mach‘s gut, Lenny!“
Will: „Jo, man sieht sich.“
Caroline: „Komm, Schatz, wir gehen ins Haus.“
Will: „Ciao Pete und danke noch mal!“
Ich tausche mit Pete die Autoschlüssel, gebe ihm die Hand und folge Caroline in die Wohnung. Inzwischen wird es Abend. Caroline und ich sind mit dem Ausräumen der Kartons beschäftigt.
Caroline: „Schatz, hilfst du mir mal bitte mit dem Karton hier?“
Will: „Aber sicher.“
Caroline: „Uff, ist der schwer, was ist denn da drin!?“
Will: „Gewichte!“
Mit einem Ruck belade ich mich mit dem schweren Karton, natürlich ohne Caroline dabei zu zeigen, dass er auch für mich schwer ist.
Wir sind sehr fleißig. Den Großteil der Kartons haben wir bereits geöffnet und die Sachen in die Schränke verteilt.
Sogar das Telefon habe ich schon angeschlossen. Jetzt ist das Schlafzimmer dran.
Ich trage also den Karton mit der Aufschrift
„Bettwäsche usw.“ die Treppe hinauf, in unser neues Schlafzimmer. Die Treppe ist ziemlich schmal und das Geländer wackelig. Würde ich mich dagegen lehnen, würde es bestimmt herunter brechen.

Nur noch das Bett beziehen, dann können wir uns schlafen legen. Es ist jetzt 23:27 Uhr. Caroline und ich sind todmüde. Wir beziehen also gemeinsam das Bett und lassen und total erschöpft vom anstrengenden Tag einfach rückwärts fallen.
Caroline: „Ich liebe dich, schlaf gut“
Will: „Ich dich auch und träum was Schönes.“
Zusammen schlafen wir ein, bis mich am nächsten Morgen die Sonne weckt.




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